Heribert Schain im Interview

Tim Moog vom analogen Fine Art-Fotoladen Silversalt in Japan hatte Heribert Schain schon länger ein paar Interviewfragen „angedroht“, um der Firma SPUR auf dem japanischen Markt, auf dem sie fast noch eine unbekannte Größe ist, ein Gesicht zu geben. Dabei hatten Heribert Schain und Tim Moog miteinander vereinbart, nicht allzusehr in die technisch-chemischen Details zu gehen. Ob das Heribert Schain wohl gelungen ist? Das folgende Interview ist gestern auf der Webseite von Silversalt auf japanisch erschienen.

SPUR ist eine kleine, aber technologisch führende Entwicklermanufaktur, die Photochemie unter ihrem eigenen Markenzeichen vertreibt, aber auch Handelsmarken für ADOX und Rollei entwickelt und herstellt. Bekannte Entwickler, die SPUR für andere Marken herstellt, sind ADOX ADOTECH II, ADOX Silvermax Entwickler, ADOX ADOLUX ADX, Rollei RPX-D, Rollei RHC, Rollei ATP DC/AB New Generation und Rollei Supergrain.

Tim Moog: Können Sie uns bitte einen kurzen Abriss der Firmengeschichte von SPUR geben?

Heribert Schain
Heribert Schain

Heribert Schain: Ausgangspunkt für die Entwicklung der heutigen Firma waren meine Experimente aus dem Jahr 1983, die erstmalig zu der Erkenntnis führten, dass bei einer Entwicklung von Schwarzweißfilmen mit klassischen Industrieentwicklern ein erheblicher Anteil der bei einer Belichtung gespeicherten Informationen nicht entwickelt wird, also verloren geht. Mit diesem Ergebnis waren neue technische Grenzen für Filme zu erwarten, bei deren Belichtung, Vergrößerung und Auswertung hohe Anforderungen an Schärfe, Feinkörnigkeit, Auflösung, Belichtungsspielraum und Tonwertreichtum gestellt werden.

In den Folgejahren wurden mit verschiedenen Partnern umfangreiche grundlegende Experimente zur Entwicklung von Filmen für die Luftbildphotogrammetrie, für die Verkehrsüberwachung, für Röntgenfilme und Dokumentenfilme durchgeführt. Diese Experimente wurden mit Eintritt des promovierten Physikers Dr. Wolfgang Heidrich marktorientiert fortgesetzt und führten 1990 zur Gründung der Firma Dr. Heidrich und Schain GbR, die seit diesem Zeitpunkt unter dem Markenzeichen SPUR Photochemie zur Entwicklung von Verkehrsüberwachungsfilmen, Röntgenfilmen und Schwarzweißfilmen herstellt und vertreibt.

Tim Moog: SPUR ist bekannt dafür, Dokumentenfilme für die bildhafte Photographie nutzbar zu machen. Wie aufwendig war die Forschung an den Entwicklern und vor welchen Schwierigkeiten standen Sie?

Heribert Schain: Die Schwierigkeiten waren immens, sodass es länger als 10 Jahre gedauert hat, bis die ersten fehlerfreien und in der Praxis erprobten Entwicklungsverfahren für Dokumentenfilme von SPUR zur Verfügung gestellt werden konnten. SPUR ist heute die einzige Firma weltweit, die in der Lage ist, mit von ihr hergestellten Entwicklern Dokumentenfilme im Kleinbild- und Rollfilmformat bildhaft fehlerfrei zu entwickeln.

In Kooperation mit Carl Zeiss in Oberkochen hat SPUR in 2006 einen Hochauflösungsweltrekord für Dokumentenfilme aufgestellt, bei dem erstmals die Auflösung des Films höher war als die durch das optische System und die Kamera bestimmte Auflösung. Damit ist es erstmals möglich, mit hochauflösenden Dokumentenfilmen und dem hierfür konzipierten Entwickler SPUR Modular UR New die Güte von Optiken und des Kamerasystems zu überprüfen.

Mit der Konzeption empfindlichkeitssteigernder Entwickler für die bildhafte Entwicklung von monodispersen Dokumentenfilmen ist es uns gelungen, Dokumentenfilme für breite technische und künstlerische Anwendungen der bildhaften Photographie zu erschließen.

Von SPUR hergestellte Entwickler für Dokumentenfilme werden inzwischen auch unter dem Namen ADOX ADOTECH II und Rollei ATP-DC/AB weltweit vertrieben.

Tim Moog: SPUR hatte viele Spezialentwickler. Welcher ist Ihr „Lieblingskind“, welcher ist technologisch am interessantesten und warum?

Heribert Schain: Schwierig zu beantworten, weil es halt auf die fotografische Aufgabe und auf die Vorlieben der Fotografen ankommt, wenn es um den interessantesten Entwickler geht. Meine Favoriten sind neben den Hochauflösungsentwicklern für Dokumentenfilme eindeutig die SPUR-„Klassiker“:

  • SPUR SLD, der über die Nennempfindlichkeit hinaus die maximale Empfindlichkeit aus einer Filmemulsion herausholt,
  • SPUR HRX, der nach unserer Kenntnis derzeit weltweit beste Feinkornentwickler,
  • SPUR ACUROL-N, der hochverdünnbare Entwickler zur künstlerischen Bildgestaltung und
  • SPUR Ultraspeed Vario, der vielseitig einsetzbare Push- und Pull-Entwickler.

Tim Moog: Welchen Entwickler empfehlen Sie Anfängern?

Heribert Schain: Auf der Photokina in Köln vom 16.9. – 21.09.2014 stelle ich erstmals den einteiligen Entwickler SPUR UFP vor, der als Universalentwickler sowohl zur Entwicklung von Schwarzweißfilmen als auch für Photopapiere in bekannt hoher SPUR-Qualität eingesetzt werden kann. Dieser langlebige Entwickler ist in der Anwendung völlig unproblematisch und daher insbesondere auch für Einsteiger geeignet.

Tim Moog: SPUR ist besonders für Negativentwickler bekannt. Sind weitere Produkte für die Papierverarbeitung geplant?

Heribert Schain: Für die Papierverarbeitung bieten wir folgende Produkte an:

  • SPUR Paper Dur Green, einen umweltfreundlichen, erstklassigen hydrochinonfreien Entwickler,
  • SPUR ACUROL P als eigenständigen plastizitätssteigernden Entwickler, der abgestimmt auf den Filmentwickler SPUR-ACUROL-N eine herausragende Plastizität der Papierpositive liefert, und
  • SPUR Cool Black, einen kühltonigen, hochverdünnbaren Entwickler, der insbesondere zur Gradationssteuerung geeignet ist, und jetzt neu
  • SPUR UFP, einen qualitativ hochstehenden Universalentwickler für Filme und Papiere, der keine Wünsche offen lässt.

Aufgrund dieser breiten Produktpalette besteht derzeit kein Anreiz zur Konzeption eines weiteren Papierentwicklers.

Tim Moog: Haben Sie eine Empfehlung zur Vorgehensweise des Eintestens von Filmen, wenn der verwendete Film nicht in der Anleitung zum Entwickler auftaucht? Diese Methode sollte auch ohne technische Hilfsmittel wie Densitometer ausführbar sein.

Heribert Schain: Ja, das ist relativ einfach. Hierfür braucht man lediglich einen Leuchttisch oder Leuchtkasten. Man erstellt zunächst anhand eines Filmes, der in der Anleitung enthalten ist, einen sog. „Eichfilm“ her. Man belichtet unter Zugrundelegung der im Datenblatt benannten Empfindlichkeit eine Zonenreihe auf und entwickelt diesen Film dann wie im Datenblatt beschrieben. Dieser „Eichfilm“ dient dann als visueller Vergleich zu Filmen, die eingetestet werden sollen. Bei diesen einzutestenden Filmen legt man die Nennempfindlichkeit zugrunde und belichtet ebenfalls eine Zonenreihe auf. Nach der ersten Versuchsentwicklung vergleicht man mit dem Eichfilm. Da das menschliche Auge Dichteunterschiede sehr gut wahrnehmen kann, bekommt man eine Info über Empfindlichkeit und Kontrast, die dann per Entwicklung verändert werden werden können.

Tim Moog: Wie schätzen Sie die Zukunft der Analogphotographie ein?

Heribert Schain: Die Analogphotographie hat aufgrund unserer Forschung und der darauf basierenden Konzeption neuer spezieller Entwickler in den letzten 15 Jahren bedeutende technische Fortschritte erzielt. Damit wurden neue technische und künstlerische Anwendungen für die bildhafte Photographie erschlossen, die bisher nicht möglich waren: so wurden beispielsweise mit hochauflösenden Dokumentenfilmen und unseren Entwicklern Risse und Schäden an Gebäuden dokumentiert, die verschiedenen SPUR Spezialentwickler wurden zu vielfältigen künstlerischen Bildgestaltungen genutzt.

In diesen neuen technischen und künstlerischen Anwendungen und insbesondere auch in der Langzeitdokumentation von Informationen und ungerasterten Bildern auf Dokumentenfilmen sehe ich eine stabile Zukunft für die analoge Schwarzweißphotographie.

Ich hege die Hoffnung, dass die EU in ihrem Regulierungseifer mit dem derzeit diskutierten Hydrochinonverbot nicht das Aus für die Schwarzweißphotographie in Europa einleitet.

Tim Moog: Haben Sie eine persönliche Lieblingskombination von Film und Entwickler, die Sie Ihren Kunden besonders ans Herz legen können?

Heribert Schain: Nein, eigentlich nicht, da sowohl Film wie Entwickler, die ich aufgrund meiner „Testtätigkeit“ natürlich bestens kenne, der vorgegebenen photographischen Aufgabe entsprechen müssen. So kann ich bei der Theaterfotografie keine hochauflösenden Filme verwenden, da dies aufgrund der mangelnden Empfindlichkeit nicht möglich ist. Möchte ich feinkörnige Aufnahmen, werde ich HRX verwenden, mit Fuji Acros, Delta 100 oder Tmax 100. Bestimmte Filme haben mit bestimmten Entwicklern immer mindestens eine hervorragende Eigenschaft. So bewirkt der HRX beim APX 400 New und beim Kentmere 400 zwar keine sonderliche Feinkörnigkeit (dafür sind diese Filme wesentlich zu grobkörnig), aber ein exzellente Grauwertdifferenzierung.

Tim Moog: Mit welcher Kamera photographieren Sie persönlich am liebsten?

Heribert Schain: Kleinbild, mit der Canon F1 New, auch mit der F1 Old. Da es um die Leistungsfähigkeit der Entwickler geht, machen ohnehin Vergleiche mit KB am meisten Sinn.

Tim Moog: Was kann man in Zukunft von SPUR erwarten?

Heribert Schain: Eines kann ich Ihnen versprechen: Immer wieder neue Ideen, weitere Forschungen und Entwicklungen und daraus sich ergebende neue Spezialentwickler, die die derzeit bestehenden technischen Grenzen und damit auch neue technische und künstlerische Möglichkeiten für Anwender erschließen.

Tim Moog: Auch die analoge Photographie bietet offensichtlich noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen. Ich danke Ihnen für dieses spannende Interview.

www.silversalt.jp