Mein analoger Schwarzweiß-Photoworkshop in der Bretagne

Irgendwann im Frühjahr des vergangenen Jahres stolperte ich in einem Forum, dass sich überwiegend mit Kameras mit rotem Punkt beschäftigt, auf einen Eintrag: „Analoger Schwarzweiß-Photoworkshop in der Bretagne mit Ralf Sänger“. So oder so ähnlich dürfte der Eintrag gelautet haben. Termin und Kontaktdaten waren auch genannt, und so stand einer Anmeldung eigentlich nichts mehr im Wege.

Außer der Frage: „Brauch ich so etwas? – Einen Photoworkshop? Ich kann doch photographieren! – Und rudelknipsen mit anderen zusammen? Das war mir eigentlich schon immer ein Graus!“ Letztendlich siegte dann doch das Interesse und die Einsicht, dass neue Erfahrungen nie schaden können, und so meldete ich beim Umweltzentrum Westfalen mein Interesse an dem besagten Workshop an, und siehe da: Es war noch ein Platz frei!

Die Anmeldung klappte auch reibungslos; das Anschreiben des Umweltzentrums klang nett und freundlich; das ließ auf nette Menschen schließen.


Der September rückte immer näher.

An dem Vorbereitungs- und Kennenlern-Treffen konnte ich aufgrund der Entfernung zwischen dem Saarland und Unna nicht teilnehmen, ich wußte also nicht wirklich, was mich erwarten würde!


Was soll ich sagen?

Im Nachhinein betrachtet aus dem Abstand eines halben Jahres, war diese Woche in der Bretagne eine meiner wunderbarsten Erfahrungen und größten photographischen Herausforderungen, die ich bis dahin erlebt hatte.

Meine anfängliche Skepsis habe ich ja bereits weiter oben geschildert. Hinzu kam, dass ich die Gegend in der Bretagne, in der der Workshop stattfinden sollte, von einigen Besuchen kannte bzw. zu kennen glaubte.

Der rosa Granit, der in diesem Küstenstrich zu finden ist und ihm den Namen gibt, hatte es mir nun wirklich nicht besonders angetan – eher im Gegenteil, und da ich die Bretagne nur im Sommer und voller Menschen kannte, waren meine Erwartungen an Land und Leute nicht besonders hoch.


So fuhr ich also am sehr frühen Morgen des 29. September gen Perros-Guirec an der Côte de granit rose. Die ca. 900 km lange Fahrt verlief erstaunlich entspannt – mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Ankunft!

Ich kam in dem kleinen Hafen von Perros Guirec an und hielt erst einmal an, um anzukommen und mir die Beine zu vertreten. Die Ruhe, die mich hier umfing, stand so ganz im Gegensatz zu dem Treiben der Menschen, wie ich es aus den Sommern in Erinnerung hatte. Das war schon mal ein guter Start, und es sollte die ganze Woche so bleiben.

Also auf in die vorgesehene Unterkunft.

Die war schnell gefunden und entpuppte sich als eine direkt am Strand gelegene Appartmentanlage, architektonisch nicht besonders gelungen, aber von der Lage her und dem französischen Charme, den sie austrahlte, sehr angenehm…

In der Lobby waren bereits einige Menschen versammelt und versuchten, mit ihrem wenigen Französisch das Einchecken zu bewältigen. Zum Glück sprach die charmante Dame am Empfang ausreichend Deutsch, sodass jeder das für ihn vorgesehene Appartement bekam.

An den Fototaschen, die die meisten von ihnen bei sich trugen, hatte ich schnell erkannt, dass es sich bei den hier versammelten nur um Workshopteilnehmer handeln konnte. Ein erster Eindruck war also gewonnen. Da ich niemanden, auch nicht Ralf Sänger, persönlich kannte, war ich auf die Vorbesprechung am frühen Abend gespannt.

Aber erst mal alle wichtigen Dinge nach oben schleppen und ankommen. Das Appartement machte einen gemütlichen Eindruck, und die Tatsache, dass ich keines mit Meerblick gewählt hatte, sollte sich nicht als Fehler herausstellen; so konnte ich wenigstens bei offenem Fenster schlafen, ohne vom dauernden Meeresrauschen zu nächtlichen Toilettengängen animiert zu werden.

Workshop

Für den Samstag war um 18:00 Uhr eine Vorbesprechung anberaumt, zum gegenseitigen Kennenlernen, und um die grundlegenden Dinge der vor uns liegenden Woche abzuklären: Tidenkalender und der Hinweis, dass der Tidenhub in dieser Gegend bis zu 12 Metern betragen kann, ließen bei mir doch etwas Respekt aufkommen.

Mein analoger Photo-Workshop in der Bretagne 2© 2012 Dieter Schneider. All rights reserved.


Der nächste Tag sollte erste Eindrücke bringen.

Wir fuhren in Fahrgemeinschaften zu unserem ersten Ausflugspunkt in der Nähe von Didi Hallervordens Insel. Zum Einstieg gab Ralf Sänger eine kurze Erläuterung zum Thema Zonensystem und partielle Kontrastmessung, anschaulich anhand von Messungen mit dem Spotmeter an einem Felsen demonstriert.

„Das kann ja heiter werden“, dachte ich mir. Dazu sollte der Leser wissen, dass meine photographischen Themen bis zu dieser Woche in der Street- und in der Konzertphotographie lagen und immer noch liegen. Nicht gerade Sujets, bei denen ich mir viel Zeit für partielle Kontrastmessung leisten konnte.

Egal, ich hatte mich auf dieses Wagnis eingelassen und wollte nicht gleich vom ersten Tag an mit schlechten Gefühlen an die Sache herangehen. Zumal Ralf Sänger es verstand, selbst dem Unbedarftesten (wie mir) das Zonensystem ohne lange theoretische Exkurse zu erklären. Was er zu vermitteln versuchte, schien einleuchtend und erstaunlich einfach anzuwenden. Die Praxis sollte alles weitere zeigen.

Mein analoger Photo-Workshop in der Bretagne 4© 2012 Dieter Schneider. All rights reserved.

 Also auf zu Didis Insel.

Dort noch das obligatorische Gruppenfoto, und dann hieß es ausschwärmen und Motivsuche und das eben Gelernte anwenden.

Äh, Motiv suchen? Wo bitte gab es hier ein Motiv? Ich sah vor lauter Felsen keine Steine! (Um jetzt mal das Bild vom Wald und den Bäumen auf die dortige Situation zu übertragen…) Von einem Motiv, das es wert gewesen wäre, von meiner Wenigkeit abgelichtet zu werden, mal ganz zu schweigen! Alle anderen waren schon fleißig dabei, ihre Stative (noch so ein Greuel für mich!) aufzubauen, und ich wusste in dem Moment nicht wirklich, was ich dort sollte.

Also mal frustiert die Umgebung erkundet. Letztendlich fand sich dann doch noch ein beeindruckender Brocken, an den ich mich in der Kürze der verbliebenen Zeit (immer wieder der kritische Blick auf die Uhr) heranarbeiten und partielle Belichtungsmessung üben konnte. – Fertig! Der erste Film war belichtet, und die Ergebnisse sollten noch im Laufe der Woche entwickelt werden.

Mein analoger Photo-Workshop in der Bretagne 3© 2012 Dieter Schneider. All rights reserved.

Ralf hatte schnell erkannt, dass ich nicht so der Gruppenmensch bin und hat mich vor mich hinwerkeln lassen; was ich als sehr angenehm empfand! Nicht dass ihn mein Wohlergehen nicht interessiert hätte. Im Gegenteil, denke ich; er hatte sofort erkannt, dass ich lieber für mich alleine war. Dennoch hat er sich immer auch um mich gekümmert!

Ralf Sänger

Ein Name, der mir, als ich mich für seinen Workshop anmeldete, überhaupt nichts sagte. Nun gut, das will nichts heißen, denn Namen sind für mich Schall und Rauch, so lange ich den Menschen nicht kenne. Ich war Ralf gegenüber also unvoreingenommen, da ich weder ihn noch seine photographischen Arbeiten kannte. Im Laufe dieser Woche in der Bretagne habe ich ihn etwas kennengelernt.

Es war für mich eine sehr angenehme Begegnung, da mich sein Fachwissen beeindruckt hat, ohne dass er sehr damit hausiert hätte. Aber die Art und Weise, wie er auf unsere Fragen anwortete und uns Ratschläge und Tipps gab, haben gezeigt, dass wir kaum einen besseren Workshopleiter hätten haben können.

Und durch seine Ortskenntnisse haben wir Teile der Küste erkunden können, zu denen man sonst wohl nicht so ohne weiteres kommt. Nie hatte ich den Eindruck, dass er die Teilnehmer in eine bestimmte Richtung drängen wollte. Er hat jeden da abgeholt, wo er photographisch oder technisch stand und versucht, ihm – sofern gewollt – Hilfestellung und Ratschläge zur Weiterentwicklung zu geben. Und wenn man mal keine Lust hatte, an einem der zwei täglichen Ausflüge teilzunehmen, war das auch in Ordnung; schließlich waren wir ja freiwillig da 🙂

Mein analoger Photo-Workshop in der Bretagne 5© 2012 Dieter Schneider. All rights reserved.

Und Zeit für eigene fotografische Ausflüge im Ort oder am Strand blieb auch genug. Wo wir überall waren, habe ich nicht behalten können. Ralf hat uns zwar in der Nachbereitung alle Orte aufgeschrieben, aber es würde den Rahmen sprengen, alles hier aufzuführen. Auf jeden Fall dürfte jeder Teilnehmer photographisch auf seine Kosten gekommen sein, und ich glaube, keiner der Teilnehmer hat es bereut, dabei gewesen zu sein.

Entwicklung

Zu einem ordentlichen analogen Schwarzweiß-Photoworkshop gehört natürlich auch, dass die Ergebnisse des Tages vor Ort entwickelt werden. Für diesen speziellen Teil des Workshops hatte Ralf Heribert Schain, den genialen Kopf von SPUR, gewinnen können. Auch der Name war mir nicht geläufig, da ich meine Photochemie meist woanders als bei SPUR eingekauft hatte.

An einem (dem einzigen!) verregneten Nachmittag war es also so weit: Wer wollte, konnte sich unter der Anleitung von Heribert Schain in der Entwicklung üben. Tags zuvor hatten wir Hochauflösungsfilme aus dem Sortiment von SPUR belichten können. Diese Filme erfordern eine spezielle Entwicklung und spezielle Entwickler.

Heribert Schain nahm sich für jeden die erforderliche Zeit und erklärte bis ins Detail die Arbeitsweise seiner Entwickler und den Umgang mit ihnen. Dabei konnte man ihm anmerken, wieviel Freude es ihm machte, einem interessierten Anwenderkreis seine Produkte vorzustellen. Einen gewissen Stolz konnte er dabei nicht verhehlen. Zu Recht, wie ich finde!

Denn die Ergebnisse konnten sich absolut sehen lassen. Und nicht nur die Ergebnisse mit den Hochauflösungsfilmen. Auch die „normalen“ Filme, die ich im Einsatz hatte, und die ich bis auf die XP2 alle in ACUROL-N entwickelt habe, waren, was Auflösung und Kontrastumfang betrifft, sehr beeindruckend.

Ich habe schon so manchen Entwickler benutzt, aber noch bei keinem war ich von den Ergebnissen derart beeindruckt! Auf dem Leuchtpult und unter der Lupe war das besonders gut zu erkennen. Die „Versprechungen“, die SPUR bezüglich ACUROL-N ausgesprochen hatte, sind jedenfalls keine „leeren“! Das kann ich mit eigenen Erfahrungen belegen.

Aber Heribert Schain kennt sich nicht nur mit seinen eigenen Entwicklern aus… Manchmal kam er mir vor wie ein wandelndes Entwickler-Lexikon. Zu jedem Film und zu jedem Entwickler hat er passende Angaben parat und gibt gerne und kompetent Auskunft. Ich benutze inzwischen dank Heriberts Rat noch einen weiteren Entwickler aus dem Hause SPUR [Spürsinn HCD new], und der hat mich genauso überzeugt wie ACUROL-N.

Mein analoger Photo-Workshop in der Bretagne 1© 2012 Dieter Schneider. All rights reserved.


Was bleibt also rückblickend im zeitlichen Abstand eines halben Jahres zu sagen?

  • Es war für mich eine spannende Woche, weil ich so manche photographische Herausforderung zu meistern hatte. und ich habe sehr viel gelernt dabei: selektive Kontrastmessung, Langzeitbelichtung, Umgang mit Hochauflösungsfilm und der dazugehörenden Entwicklung, Stativ auf- und abbauen 🙂
  • Ich habe sehr nette Menschen kennengelernt, mit denen ich die gleichen Interessen teile, nämlich die Vorliebe für die analoge Schwarzweiß-Photographie.
  • Die Betreuung des Workshops durch Ralf Sänger und Heribert Schain hätte besser nicht sein können!
  • Es ist möglich, das Zonensystem ohne viel theoretischen Überbau zu verstehen und anzuwenden.
  • Ich bin dank Ralf Sängers ausgezeichneter Ortskenntnisse an Orte gekommen, an die ich ohne ihn nie hingekommen wäre.
  • Ich habe nur einen Bruchteil dessen gesehen, was ich mit offeneren Augen hätte sehen können.
  • Ich hatte unheimlich viel Spaß in dieser ersten Woche, die viel zu schnell vorbei ging.
  • Ich will unbedingt wieder in die Bretagne, um dort weiterzumachen, wo ich aufgehört habe.
  • Ich kann nur jedem, der sich für analoge Schwarzweiß-Photographie begeistern kann, empfehlen, zu diesem erlebnisreichen Workshop in der Bretagne mit Ralf Sänger und Heribert Schain mitzukommen!       

Dieter Schneider

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