Der schärfste Film der Welt
Mit freundlicher Genehmigung von PHOTO International 05/ 2006, S. 70/ 71
Superlative sind gefährlich. Es gibt aber tatsächlich einen Schwarzweißfilm, der – im entsprechenden Entwickler behandelt – alles in den Schatten stellt, was an handelsüblicher Ware auf dem Markt ist. Der SPUR ist nicht nur Testfilm für Hochleistungsobjektive, er bewährt sich auch in der Praxis.
In der Hauszeitschrift Camera Lens News der Firma Zeiss (Ausgabe Februar 2006) wird ein jetzt aufgestellter Auflösungsrekord mit einem neuen Schwarzweiß-Negativfilm beschrieben: „Der hochauflösende Film unserer Wahl war ein SPUR Orthopan UR. Das Ergebnis: überwältigende 400 Linienpaare pro Millimeter, erzielt mit dem Biogon T* 2,8/25 ZM bei Blende 4 in der Bildmitte. 400 Lp/mm bedeutet die theoretisch höchste erzielbare Auflösung bei dieser Blende, es ist die ‚Beugungsgrenze‘ bei Blende 4.“
Nach und nach erfassen wir die Tragweite dieser Aussage: Die Auflösung des neuen SPUR-Films ist dermaßen hoch, dass die Leistungsfähigkeit der Objektive weit überschritten wird. Hier kehren sich die Verhältnisse um, denn bisher waren die Aufnahmeobjektive in der Auflösung besser als die „besten“ Filme. Ein heutiger moderner SW-Film löst bei hohem Kontrast 200 Lp/mm auf, die Beugungsgrenze der Objektive liegt bei Blende 4 bei 400 Lp/mm. Das theoretische Auflösungsvermögen des neuen SPUR Orthopan liegt weit darüber, nämlich 800 Lp/mm.
Die Stärken des SPUR-Verfahrens liegen in der Wiedergabe von feinen Details (oben), was im Druck nur annähernd reproduziert werden kann.
In der zitierten Veröffentlichung vergleicht Zeiss die Bedeutung dieses Rekords für die Fotografie im Alltag mit der Bedeutung der Spitzengeschwindigkeit der Formel 1 für den Straßenverkehr. Gewiss, der SPUR Orthopan UR, entwickelt in Nanospeed UR [jetzt: SPUR Modular UR New] ist ein Rennwagen, aber wie tauglich ist er für den zivilen Straßenverkehr? Um die Frage zu klären, wie das Potenzial, das in dem neuen Film steckt, auch mit einer relativ bescheidenen Ausrüstung zum Tragen kommt, haben wir bei Tests mit Aufnahmen belegen können, die mit einer Canon FTb-QI und FD-Objektiv 1,8/50 mm gemacht wurden.
Wie aus der Fachliteratur bekannt, entscheidet das Auflösungsvermögen eines Objektivs gemeinsam mit dem Auflösungsvermögen eines Films, wie viele Linien auf dem Film letztlich noch aufgelöst zu sehen sind. Die Höchstleistung eines Films ist demnach nur dann zu erwarten, wenn Objektive der Spitzenklasse zur Aufhahme verwendet werden. Wir haben deshalb die Bilder dieses Beitrags mit einem Zeiss Planar T* 2/50 mm ZM gemacht.
Um die Leistung des neuen Films maximal zu nutzen, sind nur wenige, einfache Regeln zu beachten: ein hochwertiges, lichtstarkes Objektiv wählen (s.o.), nicht stark abblenden, sondern im Bereich der Blenden 2,8 (bzw. 4) bis 8 bleiben. Viele Objektive zeigen ihre Bestleistungen ein bis zwei Blenden abgeblendet, denn – hier noch wichtiger – bei stärkerer Abblendung nimmt die Beugung an den Blendenlamellen überhand.
100fach lineare Vergrößerung. Das Ausschnittfoto wurde mit 2400 dpi auf einem Flachbettscanner eingescannt und nach einem reinen Kontrast- und Helligkeitsausgleich ausgedruckt.
Auf der Suche nach mehr Leistung
In dem neuen Buch von Ralph Gibson, „Refractions“, erfährt man, wie Edward Weston belichtete: „Edward would take an overall reading an then give it another stop.“ Nicht das schlechteste Rezept, wie auch Gibson meint. Cole Weston, einer der Söhne Edward Westons, schreibt in „Darkroom II“ des Lustrum Verlages, sein Vater habe des Agfa Isopan statt mit 24 ASA mit 12 ASA belichtet. Die Aussagen klingen so, als habe Weston senior generell so belichtet, unabhängig davon, ob er einen Metolentwickler oder seinen von ihm bevorzugten Pyrogallolentwickler vorgesehen hatte. Ich interpretiere die Vorgehensweise Westons so: mit gemessenen Werten unbefangen umgehen, keine Zeit mir zusätzlichen Messungen verlieren und zur Sicherheit reichlich belichten.
In unserem Fall ist die Ausgangslage eine etwas andere. Der spezielle Entwickler Nanospeed UR nutzt die Filmempfindlichkeit sehr gut aus, und der Orthopan UR (übrigens eigentlich ein Mikro-, bzw. Dokumentenfilm aus westeuropäischer Produktion) hat, darin entwickelt, einen großen Belichtungsumfang. Das macht ein problemloses Fotografieren auch bei hohen Motivkontrasten möglich. Geht man von einer eingestellten Filmempfindlichkeit von 16 ISO aus, sollte bei hohen Motivkontrasten eine zusätzliche halbe Blende ausreichen. Eine dann vorgenommene N-1-Entwicklung (Entwicklungszeit ca. fünf Minuten) ist dann anzuraten. Bei geringen Motivkontrasten kann 25 ISO eingestellt werden bei dann vorgenommener Sonderentwicklung laut Datenblatt.
Die Negative des Hochauflösungsfilms lassen sich auch einscannen und dies sogar vorteilhafter als von herkömmlichen SW-Filmen, weil die dünnere Emulsionsschicht und die monodisperse Kornverteilung (das sind Silberhalogenidpartikel einheitlicher Größe) das Scannerlicht weniger streuen.
Der SPUR-Film ist als 36er KB-Patrone erhältlich. Entwickelt wird er in Nanospeed UR.
Viele Versuche waren nötig, um dem Film des SPUR-Verfahrens die Leistungen abzuverlangen, die weit über das hinausgehen, wofür solche feinkörnigen Filme mit monodisperser Kornverteilung eigentlich gedacht sind: die Registrierung von SW-Vorlagen. Für eine Aufzeichnung der Halbtöne, unerlässlich für die bildmäßige Fotografie, sind diese Filme eigentlich viel zu kontrastreich. Sie bringen aber etwas äußerst Wertvolles mit: die extrem hohe Auflösung. Diese galt es zu kultivieren und mit einer vernünftigen, für bildmäßige Zwecke geeigneten Gradation sowie einer annehmbaren Empfindlichkeit zu vereinen. Überdies sollte die Verarbeitung so verbraucherfreundlich wie möglich sein, also unkompliziert und verlässlich.
Es gab früher schon Versuche mit Dokumentenfilmen. Willi Beutler erzielte in den fünfziger Jahren damit gute Ergebnisse bei Landschaften, Architektur- und Sachaufnahmen. Doch Beutler weist darauf hin, dass „nur derjenige Aufnahmen damit machen sollte, der wirklich belichten kann und mit Lichtkontrasten umzugehen versteht.“ Im Anschluss wirft er die Frage auf, ob man, ausgehend vom Dokumentenfilm, durch eine Empfindlichkeitssteigerung und eine Verflachung der Gradation zu einem neuen Film gelangen könnte. Mit prophetischem Gespür schließt Beutler: „Oft ist ein solcher Versuch der Anfang einer ganz neuen Entwicklung.“ Beutler dachte wohl mehr an die mögliche Verbesserung des Films als solchen als an ein neues Entwicklungsverfahren und dessen Anpassung an einen geeigneten Film. Wie denn ein halbes Jahrhundert später diese „Empfindlichkeitssteigerung“ und „Verflachung der Gradation“ mit dem SPUR-Verfahren realisiert wurden.
Dr. Christian Gericke