Drei Schwarzweiß-Negativentwickler im Vergleich

Drei Schwarzweiß-Negativentwickler im Vergleich

Im Gegensatz zu den sage und schreibe 700 Millionen Digitalbildern, die Tag für Tag im Internet hochgeladen werden, erscheint die analoge Schwarzweißfotografie als winzige Nische. Allerdings hat der negative Trend in der Silberhalogenid-Fotografie sich mittlerweile offenbar in einen Aufschwung verwandelt. Das analoge Medium hat nämlich den Vorteil, dass die fertigen Prints besonders ästhetische Tonwerte aufweisen, die sich mit digitalen (Inkjet-) Prints nicht erreichen lassen. Wie immer, wenn das menschliche Sehvermögen betroffen ist, gibt es in diesem Zusammenhang zahlreiche Charakteristika, die sich nur subjektiv bewerten lassen, was Diskussionen eher kompliziert.

Dunkelkammerabzüge sollten nicht zu stark vergrößert werden: der beste Vergrößerungsmaßstab für KB-Film liegt bei ca. Faktor 8 bis 10. Hier gewinnt man eine optimale Balance zwischen den Eindrücken von Größe, Korn und Schärfe. Im DIN A4-Format müssen die Qualität eines Prints und seiner Gestaltung besonders hoch sein, was die meisten Leica-Fotografen vor eine Herausforderung stellt. Denn das Auge kann aus einem normalen Sichtabstand heraus nur bis zu acht Linienpaare pro Millimeter auflösen. Die maximale Auflösung  der meisten Medium-Speed-Filme hingegen befindet sich im Bereich von 50 bis 80 lp/mm; dies korrespondiert mit einem zehnfachen Vergrößerungsmaßstab. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Auflösung von 2 lp/mm für die Anfertigung eines hochqualitativen Prints mit guter Schärfe ausreichend ist, wenn man von einem großflächigen Print ausgeht, der beispielsweise an einer Wand hängt. Ein A4 Print weist allerdings zusätzliche räumliche Tiefe und Plastizität auf, wenn eine große Anzahl an strukturgebenden Details vorhanden ist.

Für den im Folgenden ausgeführten Test habe ich den Ilford Delta 100 verwendet, einen Film mit einer hervorragenden Ausgewogenheit von Korn, Schärfe und Tonwertdifferenzierung. Alternative Filme waren Kodak Tmax 100, Adox Silvermax und Ilford FP4 Plus. Mit dem Apo-Summicron-M 1:2/ 75 mm ASPH, abgeblendet auf Blende 4 und selbstverständlich auf einem Stativ, habe ich eine Belichtungsreihe gemacht, um herauszufinden, wie sich die Belichtung auf die Auflösung auswirkt. Es gibt hier übrigens keinen Grund für Focus-Bracketing, denn die Linse weist das Phänomen der Focusabweichung kaum auf, während die Dicke der Emulsion eine leichte Verschiebung kompensiert.

Der Film wurde wie ISO 64/19° belichtet. Die Nennempfindlichkeit ist hier durchaus hilfreich, bringt aber Negative hervor, die etwas zu dünn für die meisten Anwendungen sind. Davon abgesehen benutze ich einen Leitz Focomat V35 mit Heiland-System, wodurch ein höherer ISO-Wert erforderlich wird.

Die  getesteten Entwickler sind die neueste Version des SPUR HRX, SPUR ACUROL-N und Compard R09, das dem klassischen Rodinal entspricht.

Die Verdünnungen sind wie folgt: HRX 1+20, ACUROL-N 1+100 und R09 1+50.

In allen drei Fällen sollte man eine Überbelichtung um mehr als drei Blenden zu vermeiden suchen, weil eine solche das Korn vergröbern und die Auflösung beträchtlich reduzieren würde. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass jeder dieser Entwickler knackige 40 lp/mm bringt, was derzeit nach wie vor die Messlatte für hochwertige Optiken darstellt.

Der Compard R09 bringt eine Auflösung von 60 lp/mm, feines, scharf begrenztes Korn und eine sehr gleichmäßige Kornverteilung. Dies führt zu vorzüglicher Kantenschärfe, und sogar im Maßstab DIN A4 gibt es wenig sichtbares Korn. Die steile Kurve bewirkt eine gute Tonwertdifferenzierung im Mitteltonbereich, die Lichter allerdings sind daraufhin zu steil. Wenn man die Entwicklungszeiten reduziert, muss man sorgsam darauf achten, dass die Details in den Schatten noch wiedergegeben werden. Alles in allem ein pickepacke dankbarer Entwickler und aufgrund seiner Langlebigkeit auch sehr wirtschaftlich.

SPUR ACUROL-N bringt ebenfalls eine Auflösung von 60 lp/mm, ein feines Korn kompakter Größe und eine sehr gleichmäßige Kornverteilung. Dies führt erwartungsgemäß zu außerordentlich hoher Kantenschärfe, und hier ist sogar im Maßstab DIN A4 absolut kein Korn zu sehen. Die Lichtstreuung in der Emulsion ist sehr niedrig, und dies spiegelt sich in der Plastizität der Prints wieder. Die steile Kurve bewirkt eine feine Tonwertdifferenzierung im Mitteltonbereich. Hier sind die Lichter steil, aber printfähig. Dies ist ein ausgezeichneter Entwickler mit quasi unbegrenzter Haltbarkeit und außerdem sehr sparsam.

Der neuaufgelegte Zwei-Komponenten-Entwickler SPUR HRX verfügt in seiner jetzigen Version mit einer neu formulierten Rezeptur über eine fast unbegrenzte Haltbarkeit. Dieser Entwickler sollte für diejenigen Dunkelkammernutzer erste Wahl sein, die einen mäßigen Verbrauch von Film aufweisen können. Der HRX bringt eine Auflösung von 70 lp/mm und sehr feines Korn, das sehr dicht aneinander steht und sehr gleichmäßig verteilt ist. Dies führt zu außerordentlich hoher Kantenschärfe, und wieder ist sogar im Maßstab DIN A4 absolut kein Korn zu sehen. Die Lichtstreuung in der Emulsion ist hier extrem niedrig, und dies spiegelt sich in der Schärfe wieder. Die Kurvenform bewirkt eine etwas erweiterte Skala von Mitteltönen, und wieder sind die Lichter printfähig. Für Anwender des Zonensystems ist der Entwickler ganz hervorragend geeignet, da er einen Tonwertumfang von 8 bis 9 Blenden hat. Dies ist ein weiterer ausgezeichneter Entwickler mit quasi unbegrenzter Haltbarkeit.

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© 2013 Erwin Puts. Charakteristische Kurven. Zum Vergrößern klicken

Die unterschiedlichen Charakteristika dieser drei Entwickler sollten jeden Anwender in die Lage versetzen, darunter einen zu bestimmen, der seinen individuellen Anforderungen und seiner Ausrüstung entspricht. Während über Entwicklern und ihrer Anwendung nach wie vor ein Mysterienschleier liegt, weisen die meisten Bücher mahnend darauf hin, dass Entwicklungszeit, Temperatur und Kipprhythmus ganz genau eingehalten werden müssen. In der Praxis kann man nichtsdestotrotz entspannter vorgehen. Die angegebene Temperatur muss zwar tatsächlich genau eingehalten werden, alle anderen Parameter indessen haben nachweislich spezifische Auswirkungen, die in der Dunkelkammer variiert werden können. Bevor man eine wichtige Auftragsarbeit ausführt, sollte man das Material grundsätzlich testen. Nach einem Filmtest kann man die Parameter vertrauensvoll in die gewünschte Richtung verändern.

Die beiden von Heribert Schain geschaffenen Entwickler aus dem Hause SPUR sind für anspruchsvolle Aufgaben prädestiniert. Der HRX hat das feinste Korn und den höchsten Tonwertumfang. Der ACUROL-N ist etwas körniger, verfügt aber über das Bonus einer steileren Mitteltonskala. Hier wählt man zwischen Nuancen, aber solches ist die Welt der AgX-Entwickler.

Ähnlich dem ACUROL-N, nennt der R09 zwar die klassischen Vorzüge der flexiblen Verdünnung und hoher Schärfe sein eigen. Aber der Preis, den man dafür zahlen muss, sind sichtbares Korn und eine steile Gradation, die den Belichtungsumfang beeinträchtigt, sodass man hier sehr vorsichtig sein muss, nicht über zu belichten.

Erwin Puts

Deutsche Übersetzung: Anita Schain. Lesen Sie auch das englischsprachige Original des Artikels von Erwin Puts auf seinem Blog „The Tao of Leica„.